Sonntag, 21. August 2011

Die preussische Armee 1815 - 1918

Die Preußische Armee 1815-1918

Die napoleonischen Kriege und die Niederlage Preußens machten eine Reform der preußischen Armee notwendig, die mit der Berufung Gerhard von Scharnhorsts als Chef des Kriegsdepartments (Kriegsministerium) im Jahre 1807 begann und bis 1814 andauerte. Noch während der Vorherrschaft Frankreichs wurden einschneidende Reformen des gesamten Militärwesens durchgeführt, die neben Heeresverstärkungen, Neuorganisationen und Umstrukturierungsmaßnahmen zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht (03.09.1814) und neben dem stehenden Heer und den Reserveeinheiten zur Errichtung der „Landwehr“ (17.03.1813) führten. In den folgenden Jahren wurde die Landwehr mehrfach neu organisiert (1815, 1819, 1842). Ihre militärische Aufgabe wird im „Handbuch der Preußischen Landwehr“ aus dem Jahre 1846 wie folgt beschrieben:

Die Landwehr sollte daher nicht nach beendigtem Kriege aufgelöst werden, sondern als ein Teil der bewaffneten Macht fortbestehen, um fortan bei jedem ausbrechenden Kriege, wie in dem siegreichen Kampfe der Jahre 1813 und 1814, das stehende Heer bei Bekämpfung des Feindes zu unterstützen. (Die preußische Landwehr in ihren Einrichtungen. Ein Handbuch für Landwehr-Offiziere, Unteroffiziere und Wehrmänne, Albert Förstner Verlag, Berlin, 1846)

Die Landwehr war Bestandteil der bewaffneten Macht, trat aber nur bei einem ausbrechenden Krieg und bei militärischen Übungen zusammen. Sie bestand aus Infanterie, Kavallerie und Artillerie.  Ein  Landwehr-Regiment  bestand in der Regel aus 2 Bataillonen (Infanterie) des ersten und 2 Bataillons des zweiten Aufgebotes sowie analog dazu 2 Kavallerieschwadronen des ersten und zweiten Aufgebotes. Den Bataillonen waren Bezirke zugeteilt, aus denen sie ihren Personalbedarf ergänzten (Landwehrordnung vom 21. November 1815)

Das letzte Aufgebot stellte der am 21. April 1813 aufgestellte Landsturm dar. Diesem gehörte die nicht im stehenden Heer, der Reserve oder der Landwehr eingereihte wehrfähige Bevölkerung an und sollte nur dann zusammentreten, wenn ein Feind in das Reichsgebiet einfällt oder es durch einen möglichen Einfall bedroht.  In den folgenden Jahren bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges wurde die preußische Armee und ab 1871 die Armee des deutschen Reiches kontinuierlich ausgebaut. Die militärische Neuorganisation bewährte sich in den Kriegen gegen Dänemark (1864) und Österreich (1866) und letztlich im deutsch-französischen Krieg von 1870/71. Nach dem deutsch – französischen Krieg und der anschließenden Reichsgründung (1871) wurde es erforderlich, die bewaffnete Streitmacht des neu erstandenen Deutschen Reichs zu ordnen, wobei die Streitkräfte Bayerns, Baden – Württembergs, Hessens, Badens und Sachsens mit der Armee des norddeutschen Bundes vereinigt werden mussten. Dabei wurde die bewährte Kommandostruktur der Armee des norddeutschen Bundes beibehalten. Die Armee des Deutschen Reiches war ab 1871 in 4 Armeeinspektionen ( 5 ab 1877, später 8) aufgeteilt, denen die preußischen Armeekorps I. bis XI. das preußische Gardearmeekorps, dass aus sächsischen Einheiten gebildete XII., dass aus württembergischen Einheiten bestehende XIII., und das aus badischen und preußischen Einheiten gebildete XIV. sowie das im Elsass aufgestellte XV. Armeekorps unterstanden. Hinzu kamen noch das I. und II. bayerische Armeekorps. Die Etatstärke des Heeres wurde durch das Reichsmilitärgesetz vom 02. Mai 1874 auf 7 Jahre bewilligt und festgelegt. Die Personalstärke wurde durch den jährlichen Reichshaushaltsetat festgesetzt und betrug im Jahre 1875 insgesamt 422.615 Köpfe. Dies war ungefähr 1 von Hundert der Bevölkerung des deutschen Reiches und entsprach somit der in der Verfassung festgelegten Gesamtstärke des Deutschen Heeres (Artikel 60 der Reichsverfassung).  
Die Verteilung der Streitkräfte auf die einzelnen Länder sah wie folgt aus:
(Geschichte der Preußischen Armee vom 15. Jahrhundert bis 1914, vierter Band, Die königlich Preuß. Armee und das Deutsche Reichsheer 1807-1914, Biblio Verlag Osnabrück 1967) Curt Jany.


Land

Offiziere

Mannschaften
Preußen
13.343
311.423
Sachsen
1.007
24.208
Württemberg
770
17.784
Bayern
2.093
48244
Gesamt 1875
17.213
401.659
zum Vergleich 1873
16.955
401.955

Nach dem Reichs-Militärgesetz wurde die Gesamtstärke der einzelnen Waffengattungen wie folgt festgelegt (RMG § 2 (Reichsmilitärgesetz vom 02.05.1874, Bekanntmachung am 09.05.1874  im Deutschen Reichsgesetzblatt Band 1874, Nr. 15, Seite 45-64) 
(3)
Infanterie
469 Bataillone
(1 Regiment = 3 Bataillone)
Kavallerie
465 Eskadrons
(1 Regiment = 5 Eskadrons)
Feldartillerie
300 Batterien von je 2-4 Abteilungen
(1 Regiment = 2 bis 3 Abteilungen)
Fußartillerie
29 Bataillone
Pioniere
18 Bataillone zu je 4 Kompanien
Train
18 Bataillone zu 2 je 2 bis 3 Kompanien

Zwei oder Drei Regimenter wurden zu einer Brigade und 2 oder 3 Brigaden der Infanterie oder Kavallerie zu einer Division zusammengefasst (§ 3 RMG Reichsmilitärgesetz)Ein Armeekorps bestand in der Regel aus zwei oder drei Divisionen und entsprechenden Artillerie-, Pionier- und Train – Einheiten. Drei bis vier Armeekorps bildeten eine Armeeinspektion.  Hinzu kamen, insbesondere in den späteren Jahren, eine Reihe von neuartigen Einheiten bzw. Spezialeinheiten (z.B. Luftschiffeinheiten, Fahrradkompanien, Fernmeldeeinheiten, Fliegereinheiten, Verkehrstruppen etc.). Das Gebiet des Deutschen Reiches wurde in 17 Armeekorpsbezirke, welche in Divisions- und Brigadebezirke und weiter je nach Umfang und Bevölkerungszahl in Landwehr- Bataillons und Landwehr-Kompanie-Bezirke unterteilt wurden (§ 5  RMG).  

Die Kompanien, Eskadrons, Batterien wurden durch einen Hauptmann oder Rittmeister befehligt.  Kommandeur eines Bataillons war ein Stabsoffizier und eine älterer Stabsoffizier (Major, Oberst, Oberstleutnant). Eine Brigade wurde von einem Generalmajor, eine Division von einem Generalleutnant befehligt, während an der ein Armeekorps einem kommandierenden General unterstand (§ 4 RMG). 
                                  
In den folgenden Jahren wurde die Reichsarmee ständig verstärkt. So lag die Etatstärke im Jahre 1888 bereits bei 19.294 Offizieren, 468.409 Mannschaften und 84.091 Dienstpferden.  Diese Entwicklung muss natürlich immer im Zusammenhang mit der politischen Entwicklung gesehen werden. Das Deutsche Reich hatte sich zu einer wirtschaftlichen Weltmacht entwickelt und trachtete danach, dieser Stellung weltweit Geltung zu verschaffen. Das Deutsche Reich betrachtete sich im Vergleich mit anderen Staaten wie Frankreich, Italien, Belgien und insbesondere mit Großbritannien als zu spät gekommene Nation. Der „Platz an der Sonne“ (Kolonien) sollte gesichert werden, wenn nötig auch mit militärischen Mitteln. Ein Beispiel hierfür ist die Niederschlagung des „Boxeraufstandes“ in China, bei der Deutschland das größte Truppenkontingent stellte.  Dies führte dazu, dass die Armee des Deutschen Reiches ständig ausgebaut und erweitert wurde. Dies lässt sich konkret anhand der beschlossen Gesetze nachvollziehen. Da in dieser Zeit die Durchführung von Kriegen zur Lösung zwischenstaatlicher Probleme grundsätzlich von allen Staaten als geeignetes Mittel angesehen wurde, rechnete man in den politisch verantwortlichen Kreisen zunehmend mit einer unmittelbar bevorstehenden militärischen Auseinandersetzung.



Die gesetzlichen Vorlagen zur Heeresverstärkung 1890-1913
Jürgen Kraus, Biblio Verlag Osnabrück 1999

 Gesetz
Inf.
Bataill.
Eskdr.
Feld-Art.
Batterien
Fuss-Art. Batterien
Pioniere
Eisen-bahn
Train-
Bataill.
15.07.1890
538
465
434
31
20
5
21
03.08.1893
538 und 173 halbe
465
494
37
23
7
21
28.06.1896
624
465
494
37
23
7
21
25.03.1899
625
482
574
38
26
11
23
15.04.1905
633
510
574
40
29
12
23
27.03.1911
634
510
592
48
29
17
23
14.06.1912
651
516
633
48
33
18
25
03.07.1913
669
550
633
55
44
31
26

 Das Heer des Deutschen Reiches war unmittelbar vor Kriegsbeginn in 24 Armeekorps aufgeteilt, die wiederum in Armeen zusammengefasst wurden. Da die Kriegsstrategie des so genannten „Schlieffenplans“  den Hauptangriff gegen Frankreich vorsah, wurde im Westen die Hauptmacht, insgesamt 7 Armeen mit 22 Armeekorps, 12 Reservekorps, 10 Kavallerie-divisionen, 17 ½ Landwehr-Brigaden, ungefähr 1.600.000 Soldaten, versammelt. In Ost- und Westpreußen befand sich lediglich die 8. Armee mit 3 Armeekorps, 1 ½ Reservekorps, 1 Kavalleriedivision und 3 Landwehrbrigaden, ungefähr 200.000 Soldaten. In Schlesien wurde zudem noch ein Landwehrkorps mit 34 Bataillonen, 12 Eskadronen und 12 Batterien Artillerie bereitgehalten. Die Küstenregion zur Nord- und Ostsee wurde durch das IX. Reservekorps und 4 Landwehrbrigaden, insgesamt 57 Bataillone, 12 Eskadrons sowie 16 Feld- und 13 schwere Batterien Artillerie geschützt. Im Zeitraum von 1813 bis 1914 wurden in der preußischen Rheinprovinz neue Einheiten aufgestellt, so z.B. das 1. Rheinische Infanterie-Regiment Nr. 25 (von Lützow). Sie bildeten zusammen mit weiteren Einheiten bei Kriegsausbruch am 01.08.1914 das VIII. Armeekorps. Dem Deutschen Reich standen bei Kriegsausbruch insgesamt 794.319 Soldaten bei einer Gesamtbevölkerung von 67,81 Millionen zur Verfügung, die sich nach der Mobilmachung am 01.08.1914 auf insgesamt 3.822.450 Soldaten erhöhte, aufgeteilt in:


Offiziere

Mannschaften

Höchste Kommandobehörden
598
2.891
Festungs- und Gouvernementsstäbe
3.023
6.366
Feldtruppen
46.622
1.281.904
Reservetruppen
19.330
567.309
Belagerungsformationen
434
7.548
Eisenbahn-, Kraftfahr-, Etappen-Formationen
7.419
84.320
Stellv. Behörden
4.487
71.679
Mobile Landwehrtruppen
7.233
263.115
Immobile Landwehrtruppen
2.098
79.905
Besondere immobile
Form. für Festungen
953
26.980
Ersatztruppen
17.927
936.183
Landsturmtruppen
9.630
374.496
Summe
119.754
3.702.696
Geschichte der Preußischen Armee vom 15. Jahrhundert bis 1914, vierter Band, Die königlich Preuß. Armee und das Deutsche Reichsheer 1807-1914, Biblio Verlag Osnabrück 1967 Curt Jany.

Die nachfolgende Aufstellung gibt einen ungefähren Überblick zur Personalstärke der militärischen  Einheiten der Reichsarmee:


Waffengattung

Regiment

Bataillon

Kompanie usw.
Infanterie
80 Offiziere
3200 Mann
25 Offiziere
1050 Mann
6 Offiziere
260
Jäger
--
25 Offiziere
1060 Mann
6 Offiziere
260
MG-Truppen
--
--
4 Offiziere
90 Mann
Kavallerie
35 Offiziere
690 Mann
--
Eskadron 8 Offiziere
190 Mann
Feldartillerie
45 Offiziere
970 Mann
Abteilung 20 Offiziere
480 Mann
Batterie 5 Offiziere
150 Mann
Fußartillerie
55 Offiziere
1370 Mann
25 Offiziere
900 Mann
Batterie 6 Offiziere
220 Mann
Pioniere

--
20 Offiziere
960 Mann
6 Offiziere
260 Mann
Telegraphen-
truppe
--
--
Abteilung 10 Offiziere
280 Mann
Luftschiffer- 
truppe
--
--
Abteilung 10 Offiziere
180 Mann
Fliegertruppe

--
--
Abteilung 10 Offiziere
90 Mann
Train

--
--
Kolonne 4 Offiziere
100-190 Mann
Sanitäts-Komp.

--
--
15 Offiziere
300 Mann
 Die Feldgraue Uniform des deutschen Heeres 1907-1908, Band I,
Jürgen Kraus, Biblio Verlag Osnabrück 1999

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