Soldatenschicksale im Boxeraufstand
Am 24. Juli 1878 wurde Alfons KAUßEN als Sohn der
Eheleute Mathias Josef KAUßEN und Diana Josephina KAUßEN geb. CRAS in Aachen
geboren. Wann Alfons der kaiserlichen Armee beitrat konnte ist nicht mehr feststellbar. Aufgrund des Dienstgrades wird er sih wahrscheinlich als Freiwilliger
um das Jahr 1898 zur Marine gemeldet haben. Der Nachwuchs für die in Übersee eingesetzten
militärischen Einheiten rekrutierte sich überwiegend aus Freiwilligen. Die
„Neue Cuxhavener Zeitung“ vom 05.05.1900 veröffentlichte hierzu folgenden
Artikel:
„Im Herbst des Jahres wird eine größere Anzahl Dreijähriger -
Freiwilliger für die Seebataillone zur Einstellung gelangen. Die Freiwilligen
müssen von kräftigem Körperbau, mindestens 1,65 m groß und von guter
Sehleistung sein. Auch wird die Anforderung der Tropendienstfähigkeit an
dieselben gestellt, da sie im Frühjahr 1901 nach Kiautschou entsandt werden“.
Es ist somit wahrscheinlich, dass
er sich zum Dienst in Übersee freiwillig meldete und im Jahre 1900 der 4.
Kompanie des III. Seebataillons angehörte. Das
III. Seebataillon wurde am 26.01.1898 gegründet und war für den militärischen
Schutz des Pachtgebietes von Kiautschou bestimmt, welches mit Vertrag vom 06.
März 1898 von China erworben wurde. Die Grundausbildung der für das III.
Seebataillon bestimmten Rekruten erfolgte in Cuxhaven jeweils im Winterquartal.
Im folgenden Frühjahr wurden dann die neu ausgebildeten Soldaten per Schiff
nach China transportiert. Die lange sechswöchige Seereise wurde mit Gymnastik,
Zielübungen, Exerzieren und Unterricht ausgefüllt. Oftmals kam es jedoch schon
bei der Überfahrt zu ersten Verlusten durch Krankheit und Hitze. Insbesondere
nach der Durchquerung des Suezkanals litten die Soldaten unter den hohen
Temperaturen.
Anfang 1900 war Alfons KAUßEN in
Kiautschou (Tsingtau) stationiert, als in China der Geheimbund der „BOXER“
(chinesisch Yi-he quan) die Bevölkerung zum Widerstand gegen die Fremden im
Lande aufrief. Nachdem die BOXER vom
chinesischen Kaiserhof Unterstützung erfuhren, wurde das Klima auch für die
ausländischen Gesandtschaften in Peking immer bedrohlicher. Zu ihrem Schutz
wurden von den betroffenen Ländern kleinere militärischer Abteilungen entsandt,
so auch vom kaiserlichen Deutschland. Unter dem Befehl von Oberleutnant zur See
Graf von SODEN machten sich 50 Soldaten des III. Seebataillons aus Tsingtau,
darunter auch Alfons KAUßEN, auf den Weg nach Peking, wo sie am 01.06.1900
eintrafen und mithalfen, die dortigen Gesandtschaften zu schützen. Nach der Ermordung des deutschen Gesandten
Freiherrn Klemens von KETTELER durch einen chinesischen Feldwebel am 20.06.1900
eskalierte die Lage in Peking. In der Folge kam es zu massiven Angriffen
der BOXER und regulärer chinesischer
Truppen auf die ausländischen Vertretungen in Peking, die sich daraufhin im Gesandtschaftsviertel
verschanzten. Die Lage wurde noch bedrohlicher, nachdem ein internationales
Expeditionskorps (2117 Soldaten darunter 509 deutsche) unter dem Oberbefehl von
Admiral Sir Edward SEYMOR am 19.06.1900 seinen Marsch auf Peking aufgeben musste.
Am Nachmittag des 23.06.1900 kam es zu heftigen Kämpfen um russische
Gesandtschaft. Alfons KAUßEN, Unteroffizier DAUCH und weitere 9 Soldaten der 4.
Kompanie wurden den russischen Verteidigern zu Hilfe gesandt. Bei diesen
Kämpfen erlitt Alfons KAUßEN eine schwere Verwundung, welcher er am 24.06.1900 erlag. In der Geschichte des III. Seebataillons wurde dieses Ereignis wie folgt beschrieben:
1. Gräber der bei der Verteidigung des Gesandtschaftsviertels in Peking gefallen Seesoldaten |
Die Verteidiger in Peking mussten
sich noch bis zum Eintreffen eines weiteren Expeditionskorps am 13.08.1900
gedulden. Von den Soldaten des III. Seebataillons wurden 16 verwundet und 11
mussten den Einsatz mit ihrem Leben bezahlen.Während Alfons KAUSSEN als Soldat beim III. Seebataillon seinen Dienst versah, befand sich der Matrose Wilhelm Offermann aus Aachen auf dem deutschen Kriegsschiff S.M.S. Kaiserin Augusta vor der chinesischen Küste. Wilhelm wurde am 30.07.1877 als Sohn der Eheleute Johann Hubert OFFERMANN und Catharina OFFERMANN geborene PRÜMPLER in Aachen geboren. Wie Alfons wird Wilhelm
sich ebenfalls freiwillig gemeldet haben. Sein Schiff gehörte als großer Kreuzer
(6050 t) zum deutschen Ost-Asien-Geschwader. Es wurde am 15.01.1892 in Dienst
gestellt und verfügte über 432 Mann Besatzung. Welche Aufgaben Wilhelm auf dem
Schiff wahrnahm, ließ sich nicht mehr in Erfahrung bringen. Auf jeden Fall,
gehörte Alfons mit der S.M.S. Kaiserin – Augusta – Kompanie, unter dem Kommando
ihres Kapitäns (Korvettenkapitän Buchholz), dem bereits oben erwähnten internationalen Expeditionskorps unter Sir
Edward SEYMORE an.
Karte zum Vorstoß des Expeditionskorps unter Lord Seymore |
Das Expeditionskorps machte sich Anfang Juni 1900 auf den
Weg nach Peking und erreichte am 10.06.1900 den Ort Lo-fa. Dort schloss sich
das deutsche Kontingent, also auch Wilhelm OFFERMANN, unter dem Oberbefehl des
Kapitäns zur See Usedom dem Expeditionskorps an. Auf dem Weitermarsch kam es am
11.06. und 12.06. zu ersten Gefechten mit den BOXERN. Nachdem der Orte Lanfang
erreicht wurde, verstärkten sich die Angriffe und am 18.06.1900 griffen
reguläre chinesische Militäreinheiten das Expeditionskorps an. Erstmals wurden
hier auch deutschen Soldaten, darunter der Kapitän des S.M.S. Kaiserin Augusta,
verwundet. Da die Bahnlinie nach Peking zerstört war und sich der
Widerstand der Chinesen weiter verstärkte, trat das Expeditionskorps am
19.06.1900 den Rückzug auf Yangtsun an und musste sich dabei heftiger Angriffe
erwehren. Die Verluste nahmen weiter zu. Am 21.06.1900 fiel Korvettenkapitän
BUCHHOLZ. Am 22.06.1900 kam es beim Hsiku - Arsenal zu schweren Kämpfen in
deren Verlauf der bekannte Ausruf „The
Germans to the front“ erfolgte und später in dem berühmten Gemälde von Carl
Röchling verklärend dargestellt wurde. Auf den Befehl von Sir SEYMORE übernahm
das deutsche Kontingent die Spitze des Korps und wehrte alle Angriffe ab.
Während der Kämpfe am 22. / 23.06.1900 wurde das Hsiku - Arsenal erobert. Bei
diesen Kämpfen wurde Wilhelm OFFERMANN schwer verwundet. Er erlag seiner
Verwundung am 24.06.1900, am gleichen Tag wie Alfons KAUSSEN.
Wie der Boxer-Aufstand endete ist
bekannt. Sowohl die Gesandtschaft als auch das Expeditionskorps wurden aus
ihrer misslichen Lage gerettet. Deutschland entsandte ein weiteres
Expeditionskorps unter dem Befehl des Grafen WALDERSEE nach China, welches am
27.07.1900 durch Kaiser Wilhelm II. in Bremerhaven mit der berühmt berüchtigten
„Hunnenrede“ verabschiedet wurde und
in China bis 1901 blutige Strafexpeditionen durchführte. Auf
einer zeitgenössischen Postkarte findet sich hierzu folgender Reim:
Zu wahren Deutschlands Macht und Ehr, ziehn wir nach China übers Meer.
Uns ruft der Feind nunmehr zur Wehr, drum ziehn wir in den Streit. Er findet
uns zu Land und Meer in Kampfeslust bereit. Kommt er in hellen Haufen gleich –
wir trotzen aller Noth:
Mit Gott für Kaiser und für Reich stehn wir bis in den Tod - Auf
Wiedersehn!
Als diese Postkarten in Umlauf
kamen waren die Worte für Alfons KAUSSEN und Wilhelm OFFERMANN bereits zur
bitteren Wirklichkeit geworden, ein Wiedersehen mit der Heimat gab es allerdings für beide nicht!
Quellen:
Standesamt:
Auskunft
aus Personenstandsurkunden, Schreiben des Standesamtes Aachen vom 08.11.2006
Benutzte Literatur:
Jork
Artlet, Tsingtau, Deutsche Stadt und Festung in China 1897-1914
Georg
Friederici, Hauptmann a.D. , Berittene Infanterie in China und andere
Feldzugserinnerungen
Diana
Preston, Rebellion in Peking / Geschichte des Boxeraufstandes
Elmar
von Rudolf, Heldenkämpfe in unseren Kolonien
Tsingtau,
ein Kapitel deutscher Kolonialgeschichte in China 1897-1914
C.
Huguenin, Geschichte des III. Seebataillions, Tsingtau
1912
Internet:
www.denkmalprjekt.org, www.kreuzergeschwader.de, www.marine-infanterie.de, www.deutsche-schutzgebiete.de, www.kreuzergeschwader.de, www.marine-infanterie.de, www.deutsche-schutzgebiete.de
Bilder:
1
und 3) aus C. Huguenin, Geschichte des III. Seebataillions
2)
aus Georg Friederici, berittene Infanterie in China und andere
Feldzugserinnerungen
Sonstiges:
Die
Kosten für die China-Expedition
betrugen 250 Millionen Mark, was damals durch den Reichstag kritisiert
wurde
vgl. Udo Ratenhof, Die Chinapolitik des
Deutschen Reiches 1871-1945.